Können Menschen in ZukunftDie Zukunft ist ein vielschichtiges Konzept und weitaus komplexer als gemeinhin angenommen: "die Zukunft" als vor uns liegende Zeit existiert nicht. So bietet es sich an, von der Zukunft im Plural zu sprechen. Der Begriff "Zukünfte" impliziert eine gewisse Offenheit und einen Mangel an Vorherhsehba... More 1000 Jahre alt werden? „Unvorstellbar!“, sagen viele. Mindestens ebenso viele Menschen hätten es jedoch vor 400 Jahren für „unvorstellbar“ gehalten, überhaupt das Alter von 80 Jahren erreichen zu können.

Longevity

Longevity oder das Ende der Alterung

Können Menschen in ZukunftDie Zukunft ist ein vielschichtiges Konzept und weitaus komplexer als gemeinhin angenommen: "die Zukunft" als vor uns liegende Zeit existiert nicht. So bietet es sich an, von der Zukunft im Plural zu sprechen. Der Begriff "Zukünfte" impliziert eine gewisse Offenheit und einen Mangel an Vorherhsehba... More 1000 Jahre alt werden? „Unvorstellbar!“, sagen viele. Mindestens ebenso viele Menschen hätten es jedoch vor 400 Jahren für „unvorstellbar“ gehalten, überhaupt das Alter von 80 Jahren erreichen zu können.

Aubrey de Grey, Pionier der Langlebigkeitsforschung an der University of Cambridge, war 2009 bei uns in Eltville zu Gast. In 20 Jahren, so seine Hauptthese, werde es möglich sein, einem gesunden Menschen 30 zusätzliche Lebensjahre zu schenken. Und in vielleicht 40 oder 50 Jahren könnten wir bis zu 1000 Jahre lang leben, ähnlich wie einst Methusalem. Man müsse nur herausfinden, wie der Stoffwechsel in der menschlichen Zelle die Schäden verursacht, die wir als „Altern“ wahrnehmen. Im ersten Schritt gelte es, so de Grey, die Schäden zu reparieren und im zweiten Schritt, sie gar ganz zu verhindern. Es mangele nur am Geld, so de Grey. Er hat seine fantastische Botschaft in einem Buch zusammengefasst: „Niemals alt! So lässt sich das Altern umkehren. Fortschritte der Verjüngungsforschung“.

Ist Altwerden eine Krankheit?

David Sinclair von der Harvard University nennt das Altern eine Krankheit, ohne die die Folgekrankheiten Diabetes, Osteoporose, Krebs, Herzerkrankungen oder Alzheimer wesentlich seltener wären. Auf seiner Arbeit basiert ein schon erhältliches Medikament, das eine künstlich hergestellte Form des im Rotwein enthaltenen Wirkstoffes Resveratrol in tausendfacher Verstärkung zuführt. Damit würden uns die Zivilisationskrankheiten weitaus weniger plagen – so lautet zumindest die Hoffnung, zu der Ergebnisse von Tierversuchen Anlass geben.

Ob Forscher wie de Grey oder Sinclair in den nächsten Jahrzehnten wirklich das Altern verlangsamen können, kann niemand mit Sicherheit sagen. Die rote Zukunftsbrille lenkt unseren Blick auf das Unwahrscheinliche, aber dennoch Plausible. Sie ermöglicht uns so den zweckdienlichen Umgang mit derlei auf den ersten Blick obskur und fantastisch erscheinenden Zukunftsszenarien. Doch so unrealistisch ist die Vision dieser aus heutiger Sicht extremen Langlebigkeit vielleicht gar nicht. Es empfiehlt sich ein zweiter Blick. Immerhin haben seit 1990 mindestens 20 Menschen nachweislich ein Alter von mehr als 115 und mindestens zwei, die Französin Jeanne Calment und die Israelin Mariam Ammash, ein Alter von 122 und 124 Jahren erreicht.

Die Methusalem-Gesellschaft ist kein Schreckensszenario

Longevity_ContentIm Gegensatz zur Schwarzmalerei weiter Kreise können wir einer allmählichen Alterung der Bevölkerung wahrscheinlich weitgehend entspannt entgegensehen. Die zweifelsohne großen Herausforderungen werden wir bewältigen. Aber ein dramatischer Sprung in der Lebenserwartung der Menschen hätte gravierende Veränderungen zur Folge. Auch wenn zunächst nur die gut Situierten davon profitieren würden, kaum ein Staat, kaum eine Stadt und kaum ein Unternehmen wäre nicht betroffen.

Nicht ohne Grund laufen bereits erste Projekte, in denen die Bedrohungen, aber vor allem die Chancen aus dem Überraschungs-Szenario einer sprunghaft steigenden Alterung erkannt, analysiert und entwickelt werden.

Wie schnell de Grey und seine Forscherkollegen mit ihren Arbeiten auch fortschreiten sollten: Ich habe meinen persönlichen Lebenshorizont auf Ende Oktober 2067 festgelegt. Da werde ich 100 Jahre alt. Zu diesem Zeitpunkt möchte ich das sagen können, was ich auch heute sagen kann, nämlich dass sich die Lebensverhältnisse und der Menschen, wenn man den gesamten Zeitraum ihrer Existenz betrachtet – verbessert und ihre Lebensspannen sich vergrößert haben. Und ich wünsche mir, dass die Menschen in 2067 zurückblicken und sagen können, dass heute die richtigen Weichenstellungen für weitere Fortschritte vorgenommen wurden.